Retrozessionen: Rechenschaft und Rückerstattung
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben Vermögensverwalter wie Banken oder Treuhänder auf Verlangen des Kunden (als Auftraggeber) jederzeit über ihre Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles zu erstatten, was ihnen im Rahmen des Auftrags zugekommen ist. Betroffen davon sind insbesondere auch sog. Retrozessionen.
Bei Retrozessionen handelt es sich um Vertriebs- und Bestandespflegeprovisionen, welche Banken und anderen Vermögensverwalter beispielsweise von Anbietern von Anlagefonds und strukturierten Produkten erhalten. Diese Retrozessionen werden einer Bank oder einem Vermögensverwalter vergütet, wenn diese ihrem Kunden einen Fonds verkauft haben (teilweise werden auch jährlich über die Haltedauer des Fonds Provisionen ausgeschüttet).
Gemäss den gesetzlichen Bestimmungen zum Auftragsrecht hat ein Beauftragter auf Verlangen u.a. jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen (Art. 400 Abs. 1 OR). Die Rechenschaftspflicht des Beauftragten soll dem Auftraggeber die Kontrolle über dessen Tätigkeiten ermöglichen. Sie bildet Voraussetzung und Grundlage der Ablieferungs- oder Herausgabepflicht. Diese Rechenschaftsablagepflicht bietet damit auch die Grundlage für einen Kunden, von Banken und Vermögensverwaltern Auskunft über erhaltene Retrozessionen zu fordern (so das Bundesgericht in seinem Leiturteil BGer 4A_13/2012). Dabei geht es nicht nur um Retrozessionen aus dem vergangenen Jahr, sondern u.U. auch um solche aus einem ganzen letzten Jahrzehnt.
Aus den auftragsrechtlichen Grundlagen eines Vermögensverwaltungsvertrages leitet sich weiter ab, dass der Beauftragte zu erstatten hat, was ihm in Erfüllung des Auftrags zugekomme ist. Dazu gehören – gerade auch im Falle der Vermögensverwaltung – auch indirekte Vorteile, die dem Vermögensverwalter infolge der Auftragsausführung von Dritten zukommen. Retrozessionen, die im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens anfallen, unterliegen deshalb der Erstattungspflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR (BGE 137 III 393).
Zugleich ist es einer Bank oder einem Vermögensverwalter gestattet, dem Kunden einen Vertrag vorzulegen, gemäss welchem dieser auf die Herausgabe der Retrozessionen verzichtet. Ein pauschaler Verzicht genügt den Anforderungen dabei aber nicht. Im Hinblick auf einen gültigen Verzicht muss der Vermögensverwaltungskunde vielmehr die Parameter kennen, die zur Berechnung des Gesamtbetrags der Bestandespflegekommissionen notwendig sind und einen Vergleich mit dem vereinbarten Vermögensverwaltungshonorar erlauben. Hierzu gehören zumindest die Eckwerte der bestehenden Vereinbarungen mit Dritten sowie die Grössenordnung der zu erwartenden Entschädigungen. Erst jüngst hatte das Bundesgericht erneut eine Rückforderungsklage von Kunden gegen eine Bank gutgeheissen, in deren Zusammenhang zwar ein Verzicht vorlag, die Beklagte aber ungenügende Angaben zur Bandbreite des Vermögens angegeben hatte, das in Produkte investiert war, bei denen Retrozessionen flossen (BGer 4A_355/2019 vom 13. Mai 2020).
Schliesslich gibt es auch einen strafrechtlichen Aspekt bei den Retrozessionen: Wenn ein Vermögensverwalter diese gar nicht ausweist, mache er sich unter Umständen der ungetreuen Geschäftsbesorgung schuldig. So bestätigte das Bundesgericht in BGE 144 IV 294 (zugleich BGer 6B_689/2016 vom 14. August 2018) ein Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, wonach ein Direktor und Einzelaktionär einer Vermögensverwaltungsgesellschaft, der 2007 und 2008 von einer Depotbank Retrozessionen und Vergütungen für die Kundenzuführung im Umfang von rund CHF 400’000 erhielt und seine Klienten darüber nicht informierte, sich der ungetreuen Geschäftsbesorgung i.S.v. Art. 158 Ziff. 1 StGB schuldig machte.