Survey Reports: Gutachten oder blosse Behauptungen?
Kommt es auf einem Transport zu einem Transportschaden, so gehört es zu einer sorgfältigen Schadensbearbeitung, dass ein Havarie-Kommissar mit der Begutachtung des Schadens und einer ersten Bestandaufnahme beauftragt wird. Dabei sind es meist Versicherungen oder Claims Handler, welche diesen Beizug der Schadensbegutachter aufgleisen. In der Praxis ist es heute fast nicht vorstellbar, dass ein Transportschaden abgewickelt wird, ohne dass ein Schadensgutachten (Survey Report) vorliegt.
In einem kürzlich vor dem Handelsgericht des Kantons Aargau verhandelten Fall stellte sich eine Partei auf den Standpunkt, ein Survey Report sei nicht mehr als eine blosse Parteibehauptung, während die andere den Survey Report als Gutachten und damit als formelles Beweismittel zugelassen sehen wollte.
Das Bundesgericht hätte nun die Gelegenheit gehabt, hier für Klarheit zu sorgen. Leider bleiben aber viele Fragen nach wie vor offen. Das Bundesgericht hat festgehalten, dass ein Survey Report kein Gutachten im Sinne von Art. 183 ZPO ist. Ob er allerdings, wie teilweise behauptet, nicht mehr ist als eine blosse Parteibehauptung, lässt das Bundesgericht ausdrücklich offen. Damit gibt es nach wie vor keine endgültige Klarheit über die Tragweite eines Survey Reports, was angesichts der zentralen Rolle dieser Berichte in der Praxis unbefriedigend ist. Versicherungen und Claims Handler werden gut daran tun, Survey Reports inskünftig nicht mehr einseitig in Auftrag zu geben. Zu empfehlen ist bis auf Weiteres, die anderen am Transport beteiligten immer miteinzubeziehen oder mindestens zur Teilnahme aufzufordern. Ist diese Rahmenbedingung erfüllt, sollte es auch inskünftig möglich sein, dass Gerichte solche Schadensgutachten im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung angemessen berücksichtigen. Vorausgesetzt ist natürlich immer, dass die fachliche Qualität stimmt und der Bericht einer näheren Prüfung standhält.