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Schweiz eröffnet Vernehmlassungsverfahren zur CLNI 2012

Am 29. Mai 2019 hat das Eidg. Department für auswärtige Angelegenheiten (EDA) das Vernehmlassungsverfahren zum Strassburger Übereinkommen von 2012 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt und über seine Umsetzung (Änderung des Seeschifffahrtsgesetzes) eröffnet. Bis zum 30. September 2019 können interessierte Kreise ihre Stellungnahmen abgeben. Danach soll die Vorlage ins Eidg. Parlament gehen, wo sie frühestens im Jahr 2020 behandelt werden könnte. Im Falle einer Annahme würde der Bundesrat ermächtigt, den Beitritt zur CLNI 2012 zu erklären. Mit einem Beitritt ist somit frühestens 2020 zu rechnen. Es ist zu begrüssen, dass dieser Schritt endlich erfolgt und die Schweiz so für gleich lange Spiesse innerhalb der Branche sorgt.

Die Schweiz ist heute Mitgliedstaat des Vorgängerübereinkommens, des Strassburger Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt vom 4. November 1988 («CLNI 1988»). In Anlehnung an das seerechtliche Haftungsbeschränkungsübereinkommen (LLMC) führte die CLNI 1988 eine im schweizerischen Recht grundsätzlich systemwidrige Haftungsbeschränkung ein. Der Eigentümer und gewisse andere Parteien wie Charterer, Ausrüster oder Versicherer eines Binnenschiffes können demnach ihre Haftung für Tod, Körperverletzung, Sachbeschädigungen und Verspätungsschäden summenmässig beschränken, sofern diese Schäden im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes eintreten. Die Haftungsbeschränkung greift, wenn der Haftpflichtige einen Haftungsfonds errichtet oder, wenn das nationale Recht dies nicht ausschliesst, selbst ohne Errichtung eines Fonds. Die maximale Haftungssumme errechnet sich dabei aus einer Formel, die auf Wasserverdrängung und Motorleistung des betreffenden Schiffes beruht.

Die CLNI 1988 stand nur den Vertragsstaaten der Mannheimer Akte oder des Moselvertrags offen und gilt heute in der Schweiz, in Deutschland, Luxembourg und den Niederlanden. Da nicht zuletzt dank der Eröffnung des Main-Donau-Kanals ein System geschaffen werden sollte, das auch für die Donaustaaten Geltung erlangen kann und da die seit über 30 Jahren unverändert gebliebenen Haftungshöchstbeträge vielerorts als ungenügend angesehen werden, wurde am 27. September 2012 eine Novelle verabschiedet, welche diese Defizite beheben soll, die CLNI 2012.

Im Juni 2018 haben die Niederlande nach Serbien, Ungarn und Luxembourg als vierter Staat die CLNI 2012 ratifiziert, womit die für das Inkrafttreten der CLNI 2012 erforderliche Mindestzahl erreicht ist. Gleichzeitig haben die Niederlande, Luxemburg und Deutschland die CLNI 1988 auf den 1. Juli 2019 gekündigt. Die CLNI 2012 kann somit auf den 1. Juli 2012 in Kraft treten.

Mit der Kündigung durch 3 von 4 Vertragsstaaten ist die CLNI 1988 als Staatsvertrag hinfällig. Allerdings erklärt die schweizerische Gesetzgebung in Art. 126 SSG das Übereinkommen integral als anwendbar, womit dieses unmittelbar Teil des inländischen Rechts wird. Die CLNI 1988 wird in der Schweiz deshalb vorderhand als nationales Recht weiterhin anwendbar bleiben und gemäss dem Grundsatz der zeitgemässen Auslegung ist davon auszugehen, dass der Verweis in Art. 126 SSG sich nicht nur auf den Rhein und seine Nebengewässer bezieht, sondern alle wichtigen europäischen Wasserstrassen mitumfasst. Mit einem Beitritt der Schweiz zur CLNI 2012 würde aber dennoch auch Art. 126 SSG entsprechend so angepasst, dass auf die CLNI 2012 verwiesen würde, so dass die CLNI 1988 dann auch für die Schweiz endgültig Geschichte wäre.

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